Die etwas anderen Ärgernisse am Land

Während der Arbeiten, sei es beim „Reutern“ (das aufhängen von halbtrockenem Heu auf Drähte, die zwischen Bäumen – oder Pfählen – gespannt sind) oder misten (düngen von Pflanzen mit Pferdemist), habe ich immer wieder lange und interessante Gespräche mit Peter (der Eigentümer der Farm). Ich habe ihn gefragt, ob er denn gut in die Dorfgemeinschaft integriert sei und daraus hat sich ein längeres Gespräch entwickelt. Immer wieder kommen wir auf die selben Themen – Themen die auch mich in der Vergangenheit viel beschäftigt haben und noch immer beschäftigen: Er ist frustriert und teilweise wütend über die Achtlosigkeit der Menschen – darüber dass sie nicht an Bio-Produkten interessiert sind, dass immer nur „konventioneller“ Landbau betrieben wird und massenweise chemischer Dünger ausgefahren wird. Dass sie selbst die kürzesten Strecken mit dem Auto zurücklegen, dass auch im Kindergarten die Kinder für jede Strecke mit dem Auto kutschiert werden, statt einmal den Bus oder das Fahrrad zu nehmen – „Was wäre das für ein Spaß für die Kinder, den Bus zu nehmen“, sagt Peter, „stattdessen werden sie im Auto festgeschnallt, das muss für die ja total fad sein.“

Nein, er habe keine gute Beziehung zu den Leuten hier. „Die reden mehr über mich, als mit mir.“ Aber ihn würde das auch nicht sonderlich interessieren, „so beschränkt, wie die hier alle sind“, sagt Peter.

Ich kann das verstehen. Er sieht sich um und erzählt, wie sich in den letzten 15 Jahren, seitdem er hier den Hof betreibt, Dinge verändert haben. Wie sich das Wetter, die Tier- und Pflanzenwelt verändert hat. Es sind neue Mücken gekommen, die es früher hier nicht gab. Es gibt eine neue höchst giftige, gelbe Blume (Jakobs-Kreuzkraut), die bei Tieren und Menschen Leberzirrhose verursacht und die er ausrupfen muss, damit seine Schafe und Pferde nicht daran erkranken. Er merkt die Klimaveränderung, sagt, dass es ein Jahr fast gar nicht regnet, im nächsten Jahr viel zu viel; er erzählt von endenden Ressourcen, nicht nur Erdöl, sondern auch beispielsweise Phosphate, die stark bei der Düngung eingesetzt werden, eine Ressource die endlich ist; wenn wir sie aufbrauchen, werden spätere Generationen nichts mehr davon haben. Er erzählt von der Überdüngung der Meere und von Todeszonen in den Ozeanen, die immer mehr werden, wo so gut wie keine Lebewesen überleben können, erwähnt das Artensterben.

Er ärgert sich, dass sich die anderen Landwirte so gar nicht dafür interessieren, „die wissen ja gar nicht, was sie mit dem Schmarrn anrichten, das sie da machen“, sagt Peter. – „Es wird ja auch nicht gelehrt“, sage ich. „Ein mal auf Youtube schauen genügt, einmal im Google eingeben genügt“, entgegnet er – und fährt fort:
„Schau dich doch mal um“, sagt er. – Ich sehe mich um. – „es ist doch jetzt schon alles ausgestorben. Kein Mensch auf den Feldern, alle hocken sie zuhause vor dem Fernseher.“ Und es stimmt. Alles leer. So weit das Auge reicht, nur Felder. Gelbe Felder und grüne Felder. Dazwischen kein Baum, kein Strauch, keine Menschen, nichts. Nur auf Peters Parzelle stehen zwei, circa 50 Meter lange Reihen mit Pappeln, die er vor ziemlich genau zehn Jahren gepflanzt hat. Heute nutzt er sie zum „Reutern“ (siehe erster Absatz), doch er kann sie in Zukunft auch für Brennholz nutzen, falls mal Bedarf da sein sollte, den zurzeit hat er eher zu viel, als zu wenig Brennholz.

Aber er ist nicht so zufrieden, wie er es gerne wäre. „Es ist die beste Art zu leben“, antwortet er auf die Frage, ob ihm die Arbeit Spaß macht. Aber im Feld nebenan haben sie einen Schweinebetrieb mit Biogasanlage gebaut. Das Feld auf der anderen Seite seines Grundstücks wollte die Gemeinde in ein Gewerbegebiet umwandeln, was er gerade noch mit viel Aufwand verhindern konnte. Doch die Biogasanlage ist laut und versperrt die Sicht. Man sieht auf zwei hässlich Silos und eine hässliche lange Mauer. Die kann Peter den ganzen Tag betrachten, wenn er auf seinen Feldern arbeitet. Und sie ist nicht nur hässlich, sondern gleichzeitig scheinbar ein Mahnmal an die Ignoranz und Blindheit der Menschen. Sie erinnert ihn jeden Tag an seinen Kampf gegen die Windmühlen und daran, dass er fast alleine kämpft.

Soziale Medien:

4 Kommentare bei „Die etwas anderen Ärgernisse am Land“

  1. Wie traurig 🙁 Ein sympathischer Typ, aber er hat leider so recht .. Die versperrte Aussicht ist mit Abstand das geringste Übel.

    1. Ja. Die Gespräche waren sehr interessant. Wir hätten stundenlang reden können…

  2. Sehr idealistisch. Die Aufgaben einen Bauernhof über Jahre oder Jahrzehnte zu führen ist sehr anstrengend und auch erfüllend. Letzte Woche ist meine Oma mit 102 Jahren auf dem von ihr geführten Hof eingeschlafen (Vier Generationen unter einem Dach). Dass sich die Landwortschaft zu einer Agrarindustrie im letzten Jahrhundert entwickelt hat, ist eine traurige marktwirtschaftliche Entwicklung (wobei ich mir meine ZeitgenossInnen nur mehr schwer auf einem Hof vorstellen kann;) PS.: Olle ondern Bauan worn scha imma Trottel!

    1. Idealismus ist doch was Gutes! Ja, es stimmt, Landwirtschaft ist nicht für jeden. Umso mehr bewundere ich die, die auch noch darauf achten sie umsichtig, nachhaltig und mit Respekt vor anderen und der Natur durchzuführen.
      Allen Respekt vor deiner Oma – vetitables Alter!
      Liebe Grüße!

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